TITEL: Beinahe ein Flüstern [Almost A Whisper]
AUTOR: HD_Genscher ()
RATING: PG
PAIRING: B/W
SPOILER: 3. Staffel
DISCLAIMER: Alle Charaktere und Orte gehören Joss Whedon, Mutant Enemy, et al.
ARCHIVIERUNG: Sicher. Sag mir nur, wo!
FEEDBACK: Bitte.
GEWIDMET: Kris. Thanks a lot!
ZUSAMMENFASSUNG: Es ist Buffys 18. Geburtstag und jemand stellt sicher, daß sie ihn niemals vergessen wird.
ANMERKUNG: Dies ist die Vorgängergeschichte von "Forever" und der Nachfolger von "Letter To Your Heart". Sie ist in der 3. Staffel angesiedelt, anstelle von "Helpless". In diesem Buffyversum gibt es kein Cruciamentum.
Tagsüber war Sunnydale nicht anders als andere Städte an der Westküste. Es gab ein paar mehr Friedhöfe als anderswo, und die Rate ungeklärter Todesfälle war zehnmal höher als der Landesdurchschnitt.
Aber darüber hinaus lief das Leben ziemlich normal ab. Die Menschen hatten gelernt, die vielen seltsamen Dinge zu vergessen, die sie gehört oder gesehen hatten. Sie hatten gelernt, die Erinnerungen an die vielen verschwundenen oder gestorbenen Freunde, Verwandten und Nachbarn zu verdrängen.
Sie hatten gelernt, den Moment auszunutzen. Und so gingen sie aus, verliebten sich ineinander, heirateten und hatten Kinder. Solange die Sonne am Himmel stand, solange man nichts Dummes tat, wenn sie es nicht war, solange war das Leben schön. Selbst auf dem Höllenschlund.
Wenn aber die Nacht hereinbrach, änderte sich all das. Die Straßen in den Außenbezirken, in denen glückliche Kinder gespielt hatten, waren verlassen. Viele Geschäftsinhaber schlossen ihre Läden an der Hauptstraße nach sieben - es würden ohnehin keine Kunden mehr kommen.
Einige Menschen hatten gelernt, daß es besser war, in Gruppen auszugehen anstatt alleine. Und wenn man ins Kino ging, dann vermied man besser einige gefährliche Gegenden und Abkürzungen. Selbst der Ahnungsloseste unter Sunnydales Einwohnern wußte, daß es besser war, so schnell wie möglich nach Hause zu kommen, sobald die Sonne untergegangen war.
Wenn schließlich der letzte verspätete Heimkehrer im sicheren Hafen seines Hauses angekommen war, fiel Stille über Sunnydale. Und dann kam etwas anderes aus dunklen Ecken, verlassenen Gebäuden und der Kanalisation gekrochen. Nun waren sie am Zug, und die Dunkelheit gehörte ihnen, so wie sie zur Dunkelheit gehörten.
Zusammen mit ihnen kam die Furcht.
**
Das kleine blonde Mädchen, das durch einen von Sunnydales Friedhöfen patrouillierte, zeigte keine Anzeichen von Furcht. Zielstrebig ging sie an Grabsteinen und Mausoleen vorbei.
Das hieß nicht, daß sie sich nicht von Zeit zu Zeit fürchtete. Sie hatte zu viele Dinge gesehen, und wußte zu gut um die unzähligen Schrecken, die der Höllenschlund produzieren konnte, um sich nicht zu fürchten.
Sie hatte gelernt, daß ein gewisses Maß an Furcht ziemlich lebensverlängernd sein konnte, und wie sie sie als Instrument einsetzen konnte. Furcht verhinderte, daß sie die Dinge zu leicht nahm, daß sie in ihrer Aufgabe lax wurde. Und diese Aufgabe bestand darin, draußen zu sein, wenn alle anderen schliefen und die Kräfte der Dunkelheit einzudämmen, auch wenn es ihr nie gelingen würde, den Strom des Bösen aus dem Höllenschlund zu stoppen.
Ein Mangel an Furch hatte einige ihrer Vorgängerinnen das Leben gekostet, die denselben Kampf gekämpft hatten. Zugleich mußte sie verhindern, daß die Furcht sie übermannte, sie paralysierte. Es war ein ewiger Kampf um das Gleichgewicht in ihr, wie der Kampf Gut gegen Böse, der Nacht für Nacht um sie herum ausgefochten wurde.
"When you're outside tonight, you've got to know I'll be there for you", summte sie leise vor sich hin.
Plötzlich hielt sie inne und lauschte intensiv zu einer Seite. Ein Anflug eines Lächelns umspielte ihre Lippen. Dann stand sie mit einem Riesensatz hinter der Kreatur der Nacht, die hinter einigen Büschen gelauert hatte.
"Hi, suchst du nach etwas Bestimmtem?" fragte die Blonde mit unschuldiger Stimme, die über den stillen Friedhof schallte.
Obwohl der Vampir überrascht war, dauerte sein Schreck nicht lange an. Er drehte sich um und versuchte, sie mit der Faust zu schlagen. Sie hatte das erwartet und tauchte ab, antwortete dann mit einem Tritt in den Magen ihres Gegners. Der Vampir stolperte zurück und versuchte, seine Balance wiederzufinden, während er sich den Bauch an der Stelle hielt, an der sie ihn getroffen hatte.
Er knurrte, aber die Schmerzen schienen ihn nur anzustacheln. Sie tauschten einige harte Schläge aus, jeder von dem anderen geblockt, bis die Jägerin entschied, daß es Zeit war, das Ganze zu beenden.
Mit einem präzisen Schlag an sein Kinn sandte sie den Vampir zu Boden. Ihr hölzerner Pflock wirbelte durch die Luft und traf sein Ziel mit tödlicher Präzision. Eine Staubwolke stieg auf, und der Kampf war so schnell vorbei wie er begonnen hatte. Stille kehrte ein.
Während sie den Pflock wieder in ihrer Tasche verstaute, spürte das Mädchen mit einem Mal die untypische Kälte, die vom Meer her kam. Sie zog ihre Jacke enger um ihre Schultern und entschied sich dann, für heute aufzuhören und nach Hause zu gehen.
Morgen würde die Sonne aufgehen. Sie würde der Dunkelheit ein Ende setzen und denen, die in seiner Deckung lauerten; wenigstens für zwölf Stunden.
Wenn die Nacht hereinbräche, würde wieder die Pflicht rufen. Aber in der Zwischenzeit würde sie den Tag genießen. Denn morgen war ein besonderer Tag. Ihr Vater würde aus L.A. vorbeikommen und sie würden gemeinsam zur Eisshow gehen.
Auf dem Kalender an der Küchenwand war der Grund neben dem morgigen Datum verzeichnet: Buffys Geburtstag.
**
Joyce Summers war in besagter Küche und kochte das Abendessen. Ihre Tochter würde bald von ihrer nächtlichen Patrouille kommen und dann würden sie gemeinsam essen.
Obwohl sie nun bereits seit einigen Monaten wußte, was Buffy nachts da draußen tat und wie wichtig es war, hatte sie sich immer noch nicht richtig daran gewöhnt. Es fühlte sich... falsch... an, daß ihr kleines Mädchen 'das einzige Mädchen auf der ganzen Welt, daß die Mächte der Dunkelheit bekämpft' sein sollte. So ungefähr hatte der Wächter ihrer Tochter ihre Berufung erklärt.
Sie hörte ein Geräusch vom Eingang her.
"Buffy?" fragte sie.
"Bin da!", antwortete Buffy und betrat die Küche. Ihr Blick fiel auf den großen Blumenstrauß und sie lächelte. "Uuhh, ein Geschenk!" rief sie aus.
"Ähm, nein. Sie sind von deinem Vater."
Buffy inspizierte das Blumenarrangement näher. Es war hübsch, aber warum sollte er ihr Blumen schicken, wenn sie doch sowieso morgen zur Eisshow gehen würden?
Dann entdeckte sie die angehefteten Eintrittskarten und ihr Lächeln verschwand. Sie nahm die Glückwunschkarte und die Eintrittskarten und betrachtete sie.
"Er, äh, hat im Moment soviel zu tun, daß er unmöglich herkommen kann um dich zu besuchen", erklärte Joyce. "Er verspricht aber, es bald nachzuholen. Es steht alles da drin", fuhr sie fort und deutete auf die Karte.
Traurig faltete Buffy die Tickets und die Karte zusammen, ohne sie zu öffnen.
"W-wenn du möchtest, kann ich jemanden bitten, mich für einen Tag in der Galerie zu vertreten", bot Joyce ihr an, als sie den enttäuschten Ausdruck auf dem Gesicht ihrer Tochter sah.
"Nein, das wird nicht nötig sein", gab Buffy zurück und ging zur Treppe.
"Möchtest du kein Abendessen, Schatz?" fragte Joyce.
"Tut mir leid, Mom. Ich bin nicht hungrig und möchte jetzt alleine sein, okay?"
Buffy stürmte nach oben und ihre Mutter hörte, wie die Tür hinter ihr zuknallte.
"Okay..." seufzte Joyce und setzte sich an den Tisch, um zu essen.
Buffy ließ sich auf ihr Bett fallen. Sie starrte enttäuscht an die Decke.
Es war einfach nicht fair. Die Eisshow war eine der seltenen Gelegenheiten, etwas mit ihrem Vater zu unternehmen. Seit ihre Eltern geschieden waren, sah sie ihn nur noch ein oder zwei Mal im Jahr, so daß sie sich immer auf diese Vater-Tochter-Aktivitäten freute.
Und nun hatte er keine Zeit für sie. Er hatte keine Zeit für den Geburtstag seiner Tochter! Wie konnte er nur...
Also war sie in seinen Augen nicht mehr Daddys kleines Mädchen, sondern eine junge Frau, die damit fertig werden würde, daß er keine Zeit für ihren Geburtstag hatte und sich stattdessen um seine Geschäfte kümmern mußte.
'Oder vielleicht macht er lieber mit seiner Sekretärin rum', dachte Buffy bitter.
Sie spürte den Kloß in ihrem Hals.
Sie entschied, daß sie jetzt etwas Trost nötig hatte und nahm intuitiv das Stoffschwein von dem Regalbrett neben ihrem Bett. Sein Name war Mr. Gordo und er gehörte ihr seit einer Ewigkeit. Vielleicht war er sogar ihr erstes Stofftier gewesen. Sie gab ihm eine feste Umarmung und setzte ihn dann auf ihren Bauch, während sie langsam sein kurzes pinkfarbenes Fell streichelte, als wäre er derjenige, der Trost nötig hatte.
Ihr Vater würde nicht kommen, und sie wollte auch nicht, daß ihre Mutter mit ihr hinging, als Ersatz für die Pflicht ihres Ex-Mannes. Vielleicht könnte sie Willow fragen...
Buffys Gedanken wanderten zu ihrer rothaarigen Freundin.
Sie war so glücklich darüber gewesen, daß ihre Freundschaft nach ihrer dummen Flucht nach Los Angeles immer noch intakt war.
Nach allem, was sie gemeinsam durchgemacht hatten, nach allem, was sie füreinander getan hatten, nach den vielen Malen, in denen sie ihr Leben füreinander gefährdet hatten, hatte sie irgendwie nichts anderes erwartet. Aber man wußte ja nie...
Eine Sache wußte Buffy mit Sicherheit: sie hatte diese Freundschaft einer harten Probe ausgesetzt, als sie die Stadt verlassen hatte, nachdem sie Angel getötet hatte. Sie wußte nun, daß es ein Fehler gewesen war, ihrem selbstsüchtigen Verlangen nach Flucht vor der Realität nachzugeben - einer Realität, die ihr Leben war. Schließlich hatte sie erkannt, daß es keine Fluchtmöglichkeit gab, daß ihr Platz hier war, wie auch ihre Pflichten. Und diejenige, der ihr Herz gehörte. Ihre Seelenverwandte. Diejenige, um die sich ihre Welt drehte.
Willow.
Während ihres selbstgewählten Exils in L.A. hatte sie ihre wahren Gefühle für die Hackerin erkannt. Mit Hilfe einiger Briefe, die sie an ihre beste Freundin geschrieben, aber nie wirklich abgeschickt hatte, hatte sie gelernt, ihre lange verborgenen Gefühle für Willow zum ersten Mal auszudrücken.
Es hatte ihr geholfen, den Grund zu sehen, aus dem sie den Kampf fortführen mußte.
Sie war nach Sunnydale zurückgekehrt. Zurück zu ihren Freunden, ihren Pflichten als Jägerin. Und zurück zu Willow.
Es war härter gewesen, als sie gedacht hatte.
Während der 'Party der Untoten' (wie sie sie nannte) - dank eines besessenen Artefakts aus der Galerie, das ihre Mutter in ihrem Haus aufgehangen hatte - war sie sogar versucht gewesen, aufzugeben und wieder wegzulaufen. Sie konnte den Schmerz in den Augen ihrer Freunde nicht ertragen, die nicht verstanden - die nicht verstehen konnten, da sie nicht mit ihnen geredet hatte sondern stattdessen weggelaufen war.
Aber am schlimmsten war der Schmerz in Willows Blick gewesen. Und als sie Buffy dabei erwischt hatte, wie sie kopflos Kleidung in eine Tasche stopfte, um dem Schmerz ihrer Freunde zu entkommen und letztlich ihrem eigenen, da hatten sie sogar Streit gehabt, ihren ersten richtigen Streit.
Willow hatte sie beschuldigt, vor ihren Problemen davonzulaufen, anstatt sich ihnen zu stellen. Und daß sie dabei ihre Freunde zurückgelassen hatte, Tag und Nacht in Sorge über ihr Schicksal.
Sie hätte sie - und besonders Willow, ihre beste Freundin - helfen lassen können, indem sie wenigstens mit ihnen geredet hätte.
Dann hatten die Untoten das Haus angegriffen und gemeinsam hatten sie sie zurückgeschlagen. Das hatte das Feuer zurückgebracht und auch ihren alten Teamgeist.
Xander, Giles und sogar ihre Mutter hatten taktvoll akzeptiert, daß es für ihr Weglaufen Gründe gab, über die sie nicht reden konnte. Sie war schließlich zurück und akzeptierte, daß sie einen Fehler gemacht hatte. Das war genug.
Die Wiedervereinigung der Jägerin und der Hackerin hatte ein wenig mehr Zeit benötigt, aber sie hatte schließlich doch stattgefunden: an einem ihrer Lieblingsorte, Sunnydales italienischem Café, der Espresso Pump. Sie hatten wieder wie Freundinnen miteinander geredet, wie beste Freundinnen.
Und doch hatte Buffy nicht den Mut gefunden, Willow alles zu erzählen; was sie empfand... was sie für sie empfand...
... obwohl nichts mehr im Weg stand - nun, da Angel tot war.
Giles hatte zwar in den Wochen nach ihrer Rückkehr von einer Möglichkeit gesprochen, ihn zurückzuholen - einer ziemlich theoretischen Möglichkeit allerdings, die nicht funktioniert hatte. Sie hatte ihren Wächter immer noch im Verdacht, das Ganze nur gesagt zu haben, weil er glaubte, die Chance auf eine Rettung des Vampirs würde sie trösten, würde die Schmerzen lindern, die sie seiner Meinung nach immer noch fühlen mußte.
Aber sie war über Angel hinweg, schon damals. Sie erinnerte sich angenehm daran, was sie gehabt hatten, und daß es etwas Einzigartiges und Besonderes gewesen war. Aber sie konnte auch nicht vergessen, wer Angel war, und was er immer wieder hätte werden können, wenn sie ihn nicht zur Hölle geschickt hätte.
Und sie hatte mittlerweile herausgefunden, daß sie in ihre beste Freundin verliebt war...
... die auch nicht mehr so viel mit Oz herumhing. Irgendwie war in den letzten Monaten - seit sie zurückgekehrt war, um genau zu sein - die Nähe zwischen den beiden langsam verschwunden. Vielleicht war Oz' Werwolfnatur der Grund, oder vielleicht liebte Willow Oz nicht, denn sie liebte in Wahrheit...
Buffy verwarf den Gedanken gleich wieder. Das war ihr Wunschdenken und nicht die Fakten.
Es stand nichts im Weg, außer ihrer Furcht, Willow zu verlieren.
Das war der Grund, warum sie Willow nicht fragen konnte. Das hörte sich in ihren Augen zu sehr nach einer Verabredung an. Und das würde ihre Freundschaft gefährden, denn Buffy war sich sicher, daß ihre Freundin nichts als... nun, freundschaftliche Gefühle für sie hatte.
"Du weißt überhaupt nicht, was los ist, oder?" fragte sie Mr. Gordo. "Es ist so einfach auszusprechen... dir gegenüber jedenfalls... und trotzdem ist alles so kompliziert..."
Ihre Augen füllten sich mit Tränen. Und der Grund dafür war einfach.
Buffy fürchtete sich.
Fürchtete sich davor, ihre beste Freundin zu lieben. Fürchtete sich davor, sie zu verlieren. Fürchtete sich vor der Zukunft.
"O Willow!" seufzte sie, während die erste Träne ihre Wange herunterlief.
Sie ließ es alles heraus. Es machte keinen Sinn, die Tränen zurückzuhalten und von ihren Ängsten innerlich zerfressen zu werden. Sie schluchzte und heulte, während sie ihren Stoffkumpanen knuddelte und langsam einen Teil seines Fells mit ihren salzigen Tränen durchnäßte.
Wenn die Vampire sie nun sehen könnten, die mächtige Vampirjägerin, was würden sie sehen? Sie würden sehen, daß sie trotz allem auch nur ein Mädchen war. Jenseits ihrer Berufung, ihrer Mission und ihren übernatürlichen Kräften war sie dennoch nur ein Mensch, mit ihren eigenen Problemen und Wünschen, die nichts mit dem Höllenschlund oder ähnlichem zu tun hatten.
Schließlich versiegten die Tränen. Sie lag auf der Seite, zusammengerollt wie ein Fötus, ihre Arme noch immer fest um das Stoffschwein geschlungen. Dann fiel sie in einen tiefen, traumlosen Schlaf.
Buffy wachte auf, zunächst schläfrig, dann plötzlich sehr wach. Es war ihr Geburtstag!
Sie streckte sich, gähnte und stand schließlich auf, um einen Blick aus dem Fenster zu werfen. Sie traute ihren Augen kaum: Die Welt draußen war weiß! Buffy erinnerte sich an die ungewöhnlich kalte Luft, die sie gestern Nacht bemerkt hatte, aber das hier war unglaublich. Eine dicke Schneeschicht, mindestens vier Inches dick, bedeckte die Straßen und Wege, Büsche und Bäume. Alle Häuser in der Nachbarschaft trugen weiße Mützen und reflektierten die Wintersonne.
Schnell zog sie sich an und stürmte dann nach unten. "Mom? Siehst du das?" rief sie aufgeregt.
Joyce saß am Tisch im Eßzimmer und las die Zeitung, eine Tasse Kaffee vor ihr. "Guten Morgen, Liebling."
Buffy gab ihrer Mutter einen flüchtigen Kuß auf die Wange. "Morgen, Mom!" antwortete sie.
"Und ja, ich hab's gesehen. Ich wollte es zuerst auch nicht glauben", fuhr Joyce fort.
Buffy ging hinüber in die Küche und nahm eine kleine Schüssel und die Cornflakes-Packung aus einem Schrank.
"Gibt es irgendwelche historischen Referenzen für so etwas?" fragte sie.
"Ich denke nicht. In den Nachrichten haben sie gesagt, es sei der kälteste Tag in einem Jahrhundert. Aber es hat damals nicht geschneit. Überall ist der Verkehr zum Stillstand gekommen und die Behörden versuchen, die Straßen zu bald wie möglich zu räumen. Aber sie brauchen wohl mindestens einen Tag, so daß heute alle öffentlichen Einrichtungen geschlossen bleiben."
"Juhu! Keine Schule an meinem Geburtstag. Das sind mal gute Neuigkeiten", sagte Buffy, während sie Milch auf ihre Cornflakes schüttete.
"Übrigens... Herzlichen Glückwunsch, Buffy", sagte Joyce, als Buffy mit ihrem Frühstück in der Hand zurück ins Eßzimmer kam.
Ihre Mutter hielt etwas in der Hand. Es war etwas Großes, eingepackt in weißes Papier. Buffy stellte ihre Schüssel vorsichtig auf dem Tisch ab, nahm ihrer Mutter das Geschenk ab und öffnete es mit einer schnellen, ungeduldigen Bewegung.
Es war ein hölzerner Langbogen, etwa 70 Inches lang.
"O Mom! Er ist... wundervoll!"
Buffy hatte viel mit Armbrüsten gearbeitet, aber dies hier war etwas komplett anderes. Sie folgte der Krümmung des Bogens mit ihrer Hand. Er war aus einem einzigen Stück Holz gefertigt - Eibe, vermutete sie. Der Bogen war perfekt; er lag so gut in ihrer Hand als wäre er speziell für sie gemacht worden.
"Mr. Giles war so freundlich, mich beim Kauf zu beraten", erzählte Joyce.
Buffy nahm einen der hölzernen Pfeile und legte den Bogen an, prüfte seine Spannung. Zufrieden mit dem Resultat legte sie ihn wieder hin, zu Joyces großer Erleichterung.
"War der nicht sehr teuer?" fragte Buffy mit einem Hauch von schlechtem Gewissen in der Stimme.
"Buffy, du wirst nur einmal 18 Jahre alt. Und keine Sorge, die Galerie lief gut in letzter Zeit. Ich kann es mir leisten, dir ein Geburtstagsgeschenk zu machen."
"Danke, Mom." Buffy umarmte ihre Mutter.
"Wie wäre es mit einem Spaziergang", schlug Joyce vor und deutete aus dem Fenster.
"Das wäre schön." Buffy lächelte ihre Mutter dankbar an. Sie sehnte sich danach, ihren Langbogen auszuprobieren, aber das würde warten müssen.
Nachdem Buffy einen dicken roten Pullover angezogen hatte, den sie irgendwo in den Tiefen ihres Kleiderschranks gefunden hatte, vervollständigte sie ihr Outfit mit einem weißen Schal.
Joyce erschien in der Zimmertür. Sie hatte sich ebenfalls umgezogen. Obwohl die Sonne schien, war es ziemlich kalt draußen - besonders, wenn man die normalen Temperaturen in Kalifornien berücksichtigte.
"Meinst du, du kannst dich mit deiner Mutter zeigen?" fragte sie.
Buffy grinste. "Oh ja."
Sie gingen nach unten und verließen das Haus.
"Irgendein besonderes Ziel?" fragte Buffy.
"Nein."
"Dann laß' uns hier langgehen." Buffy übernahm die Führung und wählte eine Richtung, die sie nicht in die Nähe irgendeines Friedhofs führen würde, der vielleicht die Quelle von Ärger sein konnte - selbst wenn es hellichter Tag war.
Langsam wanderten sie durch den Schnee, die ganze Zeit plaudernd. Sie bewunderten die wundersame Wandlung ihrer Heimatstadt, die sich über Nacht in einen ganz anderen Ort verwandelt hatte.
Zugleich gewöhnten sie sich langsam an das ungewohnte Gefühl unter ihren Schuhen. Buffy war froh, daß ihre Mutter im letzten Herbst darauf bestanden hatte, ein Paar robuster geschlossener Schuhe zu kaufen. Die waren zwar nicht hochmodisch, wie sie damals wiederholt angemerkt hatte; wie sich jetzt aber herausstellte, waren sie bequem und nützlich, wenn das Wetter kein normales Schuhwerk zuließ.
Sie redeten freimütig über alles, was ihnen in den Sinn kam, zum ersten Mal in Monaten, beginnend mit... Schuhen. Joyce hatte das Gefühl, ihrer Tochter zeigen zu müssen, daß sie immer für sie da war, nachdem Buffy so enttäuscht über die Absage ihres Vaters gewesen war.
Die Galerie zu betreiben hatte sich schnell als Vollzeitjob herausgestellt. Wenn sie nicht in der Galerie war, klapperte sie entweder alle (oder beinahe alle) Antiquitätenläden in Kalifornien ab, um neue Objekte aufzutreiben, oder sie mußte sich um den Papierkram kümmern. Vielleicht hatte das dazu geführt, daß sie die vielen Anzeichen nicht gedeutet hatte, die darauf hinwiesen, daß ihre Tochter alles andere als ein normales Leben führte. Das hatte letztlich dazu geführt, daß Buffy weggelaufen war, vermutete Joyce.
Aber Buffy versicherte ihr, daß sie sich nicht vernachlässigt fühlte, daß sie sich im Gegenteil sogar wohl zu Hause fühlte und daß sie nicht wieder weglaufen würde. Als das Gespräch auf Jungs kam, rückte Buffy sogar freimütig damit heraus, daß sie über Angel hinweg war.
So vertieft waren die beiden in ihr Gespräch, daß sie achtlos an einem Blatt Papier vorbeigingen, das an einen Baum geheftet war.
Wann immer Joyce allerdings auf ihre Freunde zu sprechen kam - oder speziell Willow - wechselte Buffy schnell das Thema, inständig hoffend, daß ihre Mutter das nicht bemerken würde.
Und Buffy war froh, daß Joyce nicht über ihre Berufung sprechen wollte. Sie erinnerte sich noch lebhaft daran, was beim letzten Mal passiert war, als ihre Mutter Interesse am Jagen gezeigt hatte - obwohl sie und die anderen unter dem Einfluß eines Dämons gestanden hatten.
Plötzlich stockte Buffy mitten im Satz. Sie hatte etwas an einem großen Baum entdeckt, auf den sie gerade zuliefen. Joyce folgte ihrem Blick.
Ein Zettel war an den Baum geheftet, und jemand hatte ein großes 'B' mit einem roten Filzstift daraufgeschrieben. 'Faith?' fragte sich Buffy. Sie war schließlich die einzige, die sie 'B' nannte. Sie riß den Zettel ab und faltete ihn auseinander.
"Buffy,
gehe dorthin, wo die Bücher leben", las sie laut.
"Seltsam", murmelte sie dann.
"Ist alles in Ordnung?" fragte Joyce.
"Ja... aber wie konnte jemand erwarten, daß wir hier entlanggehen würden?" fragte Buffy besorgt.
Joyce zuckte mit den Schultern. "Vielleicht ist es nicht für dich?"
"Wie viele Buffys kennst du?" erwiderte ihre Tochter.
"Das ist wahr", gab Joyce zu.
"Ich denke, ich sollte die Bibliothek überprüfen", fuhr Buffy fort.
Der Zettel wies sie an, in die Bibliothek zu gehen, dachte sie, und es könnte ein Dämon hinter all dem stecken. Wenn das so war, dann würde Giles es sicher wissen. "Vielleicht weiß Giles, was dahinter steckt", schloß sie.
"Liebling, meinst du nicht, daß er eher zu Hause als in der Bibliothek ist?" Joyce war skeptisch.
"Du kennst doch Giles, er lebt in dieser Bibliothek. Selbst wenn heute keine Schule ist", führte Buffy aus. "Ich sollte mich besser beeilen. Wenn... du nichts dagegen hast?" fügte sie hinzu.
Joyce wußte, daß ihre Tochter vor allem anderen entschlossen war, ihre Pflichten zu erfüllen. Und wenn das hieß, aufgrund vager Hinweise Orte zu überprüfen, nun, sei's drum.
"Es ist okay", versicherte sie.
"Danke, Mom!" antwortete Buffy und machte sich sofort auf den Weg.
"Aber versuche, bis zum Dinner wieder da zu sein", rief Joyce ihrer Tochter scherzhaft nach.
"Ich versuch's." war die Antwort.
'Das hier wäre noch viel schöner, wenn Willow bei mir wäre', sinnierte Buffy, während sie durch den Schnee stapfte. Der Gedanke an ihre rothaarige Freundin ließ sie die Stirn runzeln. Aber dies war ihr Geburtstag und sie entschied, daß heute kein Platz für düstere Gedanken war.
Sie ging um eine andere Straßenecke und bog in die Torrance Street ein. Sie war an zwei weiteren an Bäume gehefteten Zetteln vorbeigekommen. Jemand wollte wirklich sicherstellen, daß sie seinem oder ihrem Plan folgte, worin auch immer der bestand. Sie hatte jeden der Zettel abgerissen und sie waren beide identisch in der Aufforderung, daß sie dorthin gehen solle, "wo die Bücher leben". Buffy wunderte sich über die seltsame Formulierung.
Schließlich erreichte sie ihre Highschool.
Im Gegensatz zu normale Tagen war die Umgebung der Sunnydale High einsam und verlassen. Normalerweise liefen hier um diese Zeit Hunderte von Schülern herum; nun gab es nur einige große Schneehaufen. Offensichtlich hatte der Hausmeister versucht, der Schneemassen Herr zu werden, die in der letzten Nacht vom Himmel gefallen waren.
Buffy stieg langsam die große Treppe hinauf, die zum Eingang führte.
Wie sie vermutet hatte, waren die Eingangstüren zwar geschlossen, aber nicht abgeschlossen. Sie zögerte einen Moment und fragte sich, was sich Direktor Snyder wohl für eine Strafe ausdenken würde, wenn sie an einem freien Tag in der Schule erwischt wurde.
Buffy schob den Gedanken beiseite und betrat das Gebäude. Die Gänge waren leer und das Mädchen wandte sich zielstrebig ihrem Ziel zu.
Sie betrat die Bibliothek, wie sie es schon unzählige Male zuvor getan hatte. Sie hatte wirklich erwartet, Giles hier zu treffen, wie immer, aber die Bibliothek war nur schwach erleuchtet und leer. Vielleicht genoß auch der Bibliothekar den freien Tag, zu Hause mit einem guten Buch und einer großen Tasse Tee.
Sie lächelte bei dem Gedanken und ließ ihren Blick mißtrauisch durch den großen Raum schweifen. Aber sie konnte nichts ausmachen. Die vielen Regalreihen waren so, wie sie immer waren. Sie bogen sich unter der Last hunderter, wenn nicht tausender von Schulbüchern. Außerdem enthielten sie Giles' kleine aber feine Sammlung von Büchern über das Dunkle und Mysteriöse.
Niemand hatte sich an Giles' Schätzen zu schaffen gemacht.
Plötzlich schnappte ihr übernatürliches Gehör ein Rascheln auf, das die unheimliche Stille durchbrach.
"Hallo?" fragte sie in das Halbdunkel. "Ist jemand hier?"
Eine um so drückendere Stille war die Antwort.
Sie lauschte in den Raum, und zuckte dann mit den Achseln. 'Vielleicht spielen mir meine Sinne einen Streich', dachte sie. Sie war ziemlich sicher, daß hier keine gefährliche Kreatur in irgendeiner Ecke lauerte. Erst einmal war draußen helles Tageslicht. Und außerdem würde sich ihr sechster Sinn melden, wenn ein Gegner in der Nähe war, und der ließ sie niemals im Stich.
Ihr Blick fiel auf ein dickes Buch, das auf dem Tresen lag. Neugierig trat sie näher. Es war ein alter Schmöker, den Giles sicher nicht einfach so hier liegengelassen hätte. Sie nahm den ledergebundenen Band in die Hand und öffnete ihn. Wenn sie Glück hatte, würde sie nicht alle Seiten durchblättern müssen, oder gar alle Bücher.
Nachdem sie ziellos durch die Seiten geblättert hatte, legte sie das Buch frustriert wieder auf den Tresen. Es war hoffnungslos. Sie hätte beinahe den schmalen Papierstreifen übersehen, der aus dem Buch gefallen war. Es war der Leihzettel, und er lag nun umgedreht auf dem Fußboden. Selbst wenn kein gewöhnlicher Schüler jemals eines dieser alten Bücher ausleihen würde, hatte Giles doch alle mit solch einem Leihzettel ausgestattet; das mußte er wohl als ernsthafter Bibliothekar, dachte Buffy.
Sie konnte erkennen, daß jemand auf die Rückseite des Leihzettels geschrieben hatte. Sie hob ihn auf und las:
"Du kannst mich pur trinken.
Du kannst mich mit Milch und Zucker trinken.
Du kannst mich mit Milchschaum trinken.
Du kannst mich stark und schwarz trinken.
Wo findest du mich?"
Die Antwort war ziemlich einfach: Die ersten vier Zeilen waren über ihr Lieblingsgetränk, Kaffee. Und es gab nur einen Ort in Sunnydale, an dem man diese vielen verschiedenen Sorten von Kaffee bekommen konnte: die Espresso Pump, genau auf der Ecke zwischen State und Main.
Buffy hatte ein seltsames Gefühl von Aufregung im Bauch. 'Das ist so eine Art Schnitzeljagd', dachte sie, 'und sie führt mich von einem Ort zum nächsten.' Das war mal eine unkonventionelle Idee für einen unterhaltsamen Vormittag!
Sie war neugierig, warum diese Nachrichten überall waren und wer dahintersteckte. Darum verließ sie schnell die Bibliothek, die großen Schwingtüren hinter sich schließend.
Als sie weg war, ertönte erneut ein Rascheln und ein Wesen kam aus seinem Versteck hinter dem letzten Bücherregal. 'Noch zwei', dachte das Wesen und lachte leise in sich hinein.
**
Buffy betrat Sunnydales beliebtestes Café. Wie sie erwartet hatte, waren beinahe alle Tische leer. Aber das Café hatte geöffnet, trotz der widrigen Umstände. Eine Menge Leute würden Lust auf eine heiße Tasse Kaffee haben, nachdem sie einen Schneespaziergang gemacht hatten, vermutete Buffy.
"Hi, Mario!" begrüßte sie den Inhaber.
"Buongiorno, bella Signorina", grüßte der junge Italiener. Er nannte sie immer so, wenn sie hier war und er sie bediente. Sie wußte, daß es so etwas wie 'hübsches Mädchen' bedeutete und bedankte sich mit einem Lächeln.
Flirten war wie eine zweite Natur für diese Jungs... Aber er war freundlich und drängte sie nicht, und darum war es in Ordnung.
"Was kann ich für dich tun, Buffy?" fragte Mario.
"Ich hätte gerne einen Cappuccino, mit extra viel fettarmer Milch", bestellte sie, während sie sich an einen Tisch setzte.
Der kleine Italiener führte die Espresso Pump, seit er sie von seinem Vater geerbt hatte. So hatten Leute es Buffy erzählt, als sie neu nach Sunnydale gezogen war. Das Café war eine Institution, genauso wie die Bowling-Bahn, das Kino und einige andere Orte, an denen man etwas unternehmen konnte. Und genau wie alle anderen hatte sich Buffy in die angenehme Atmosphäre verliebt.
Zu dieser Tageszeit bediente Mario seine Gäste alleine. Später, am Nachmittag, halfen ihm zwei Kellnerinnen - Studentinnen der UC Sunnydale, nahm Buffy an.
"Un cappuccino", wiederholte er. "Prego, Signorina."
Sie beobachtete, wie er das gewünschte Getränk mit einer Präzision und Effizienz bereitete, die Jahre von Erfahrung zeigte. Und sie kannte keinen anderen Laden in der Nähe, der solch guten Cappuccino zu bieten hatte.
"Ihr Getränk, Signorina", sagte er und platzierte die Tasse vor ihr auf dem Tisch. Sie hatte erwartet, daß er zurück zu seinem Tresen gehen würde, aber stattdessen blieb er neben ihrem Tisch stehen.
"Es gibt etwas sehr Ungewöhnliches", fuhr er fort. "Jemand hat eine Nachricht für Sie hinterlassen." Er holte ein gefaltetes Stück Papier aus seiner Schürze und gab es ihr.
"Wissen Sie, wer es Ihnen gegeben hat?" fragte sie.
"Das ist ja gerade das Seltsame, wissen Sie", antwortete er. "Es lag genau hier auf der Theke, von einem Moment auf den anderen. Ich habe niemanden gesehen, der es hingelegt haben könnte, aber da Ihr Name darauf steht..."
Buffy blickte auf den Zettel und sah, daß jemand sorgfältig ihren Namen daraufgeschrieben hatte, aber sie erkannte die Handschrift nicht.
"Danke", sagte sie und entfaltete es. Diese Nachricht war kurz:
"Suche einen Ort des Lernens,
aber nicht der Wahl.
Dann gehe zu einem Ort der Ruhe,
der Ort, an dem wir uns zum ersten Mal getroffen haben."
Sie nippte an ihrem Getränk, während sie über die möglichen Antworten dieses Rätsels nachdachte.
Der Campus von Sunnydales Universität war ein Ort des Lernens, aber auch einer der Wahl. Der einzige andere Ort, der ihr einfiel, war der, von dem sie hierher gekommen war: Sunnydale High. Sie hatte keine andere Wahl, als dorthin zu gehen, oder? Wenn sie richtig lag, dann war das der zweite Hinweis auf ihre Highschool, und das bestätigte ihre Vermutung, daß jemand, der mit ihr dorthin ging, hinter dieser Sache steckte.
Könnte es ein Junge sein? Vielleicht Scott, der seine Meinung geändert hatte? Nein... kein Mann könnte jemals so kreativ sein. Und sie war auch nicht mehr in ihn verknallt. Wenn sie genau darüber nachdachte, dann war sie es eigentlich niemals gewesen.
Aber konnte ihr nächtliches Flehen erhört worden sein? Könnte ihr Lieblingsrotschopf diejenige sein, die hinter all dem steckte? Es würde zu ihrem Genie passen, aber es würde auch bedeuten, daß sie genau so für Buffy empfand wie die für sie.
Sie las die letzte Zeile noch einmal.
"... wo wir uns zum ersten Mal getroffen haben."
Wenn es Willow war, dann wäre das der Schulhof der Sunnydale High. Und das war ein Ort der Ruhe...
Ihre Gedanken begannen zu wandern. Sie erinnerte sich an ihren ersten Schultag als wäre es gestern gewesen. Nicht wegen der neuen Schule. Bestimmt nicht wegen Cordelia und ihren Cordettes. Noch nicht einmal wegen Xander. Nein, sie erinnerte sich deswegen so gut an diesen Tag, weil sie sie zum ersten Mal getroffen hatte.
Willow.
"Äh, hi! Willow, richtig?" hatte sie gesagt. Willow hatte auf einer Bank in der Nähe des Springbrunnens im Schulhof gesessen, den jeder nur Brunnenhof nannte, aus offensichtlichen Gründen.
Willow hatte zu ihr aufgesehen, totale Verblüffung in ihren Augen. "Warum? I-Ich meine, hi! Äh, soll ich hier besser abhauen?" Willow dachte wirklich, daß Buffy sich mit Cordelia und ihren Bewunderern befreundet hatte, die sie als so unwürdig ansahen, daß sie nicht einmal auf derselben Bank sitzen durfte...
Sie hätte nicht falscher liegen können. Buffy hatte oft darüber nachgedacht, wann und wo alles angefangen hatte, aber das war die einzige Möglichkeit. Sie hatte die heiße Rothaarige gleich am ersten Tag heiß gefunden.
"Eins nach dem anderen. Hi, ich heiße Buffy, und dann können wir dazu übergehen, daß ich dich um einen Gefallen bitte", hatte sie beruhigend geantwortet. Um ihre ehrlichen Absichten zu unterstreichen, hatte sie sich neben Willow auf die Bank gesetzt. Sie hatten sich unterhalten, und der Rest war Geschichte.
Buffy lächelte bei diesen Erinnerungen. Sie stürzte den Rest des mittlerweile lauwarmen Getränks hinunter, stopfte den Zettel in eine Hosentasche, legte dann einige Münzen als Bezahlung für ihr Getränk auf den Tisch und verließ die Espresso Pump. Sie mußte zurück zur Sunnydale High.
**
Der Zettel war auf der Bank, genau wie sie es erwartet hatte. Dies war, wo sie sich zum ersten Mal getroffen hatten.
Buffy nahm den Zettel und las ihn hastig:
"Dies ist der letzte Hinweis:
Ich bin die Quelle allen Lebens.
Ich kein Freund des Feuers.
Ich komme zu dir durch die Luft.
Ich komme zu dir durch die Erde.
Durch metallisches Dunkel komme ich.
Nun, finde den Schatz deines Herzens,
gehe und folge einfach meinem Weg."
Buffy setzte sich auf die Bank. Sie mußte nachdenken.
Die Quelle allen Lebens? Die Sonne vielleicht? Aber warum würde die Sonne 'kein Freund des Feuers' genannt werden? Außerdem: Ihre Strahlen kamen zwar durch die Luft, aber nicht durch die Erde.
Ihr Blick fiel auf den Springbrunnen. 'Das ist es!' dachte sie. Wasser, notwendig für alles Leben, kein Freund des Feuers, vom Himmel fallend wenn es regnete.
Aber wie würde ihr das helfen, die letzte Station der Schnitzeljagd zu finden? Die letzte Station, an der sie 'den Schatz ihres Herzens' finden würde?
"Komme durch die Erde, durch metallisches Dunkel", murmelte sie.
Das Wasser im Springbrunnen und das, was aus ihrem Wasserhahn kam, kam durch Rohre. Das qualifizierte ausreichend als 'metallisches Dunkel', entschied sie. Das war die Lösung des ersten Teils des Rätsels, aber was war mit dem letzten Satz? Er war der einzige, der noch übrig war, um ihr einen Hinweis auf die letzte Station zu geben.
"Folge meinem Weg? Muß ich die Kanalisation durchkämmen, oder was?"
Aber sie konnte sich nicht sicher sein, daß Willow ein Rohr meinte, daß irgendwie mit dem Springbrunnen verbunden war. Nach allem, was sie wußte, konnte es jedes Rohr sein.
Plötzlich hatte sie eine Idee. Wo kamen all diese Rohre her?
Die Antwort war einfach. Sunnydales Wasserversorgung wurde von einem See gerade außerhalb der Stadt bereitgestellt. Das Wasserwerk war direkt daneben. Buffy wußte das genau, denn sie hatten es während ihres ersten Jahres auf der Sunnydale High im Rahmen eines Klassenausflugs im Fach Chemie besucht. Und es konnte nicht die Kanalisation sein. Es hieß ganz klar 'komme zu dir' im Rätsel und das bedeutete frisches Wasser.
Buffy sprang auf wie von der Tarantel gestochen. "Das ist es!" rief sie aus. Sie war sich sicher. Dort würde sie finden, wer auch immer... nein! Es würde Willow sein.
Mit einem raschen Blick zurück auf die Bank, die mit so vielen Erinnerungen verknüpft war, joggte sie davon.
Ungefähr eine halbe Stunde später näherte sich Buffy dem Speichersee.
Von hier wurde Sunnydale mit Wasser versorgt. Sie lief langsam aus, verblüfft über die dicke Eisschicht, die den See bedeckte. Er schien komplett gefroren zu sein, zumindest bis zu einer bestimmten Tiefe. Eine schnelle Überprüfung des Gebäudes, das die Filteranlage beinhaltete, ergab nichts ungewöhnliches. Alle Türen waren verschlossen und niemand war zu sehen. Offensichtlich arbeitete die Anlage automatisch.
Buffy ging zurück zum See, schirmte mit der Hand ihre Augen gegen die Mittagssonne und suchte das Ufer ab. Der See war umgeben von Büschen und Bäumen, die nun alle mit weißen Kappen bedeckt waren und zugleich wunderschön und ungewohnt aussahen. Schnee war schließlich etwas Neues in Sunnydale.
Plötzlich fiel ihr etwas ins Auge: War da nicht etwas Metallisches in der Nähe dieses großen Baumes dort, das die Sonne reflektierte?
Buffy war sich nicht sicher, aber es gab nur einen Weg, das herauszufinden. Sie joggte nach links. Nach kurzer Zeit erreichte sie das Objekt, das sie aus der Distanz entdeckt hatte.
Sie traute ihren Augen kaum: Da baumelte ein Paar Schlittschuhe von einem schulterhohen Ast des Baumes! Sie waren mit den Schnürsenkeln befestigt und bewegten sich langsam in der leichten Brise.
Eine der Kufen mußte das Sonnenlicht reflektiert haben, schloß sie.
'Die sehen ja beinahe wie meine aus', dachte Buffy als sie zu dem Baum ging und die Schnürsenkel löste. Die Schlittschuhe fielen zu Boden.
Sie nahm einen der beiden und wog ihn in der Hand. Dann inspizierte sie die Kufe, war zufrieden und warf schließlich noch einen Blick in den Schaft aus weißem Leder, um die Größe zu prüfen.
Und starrte ungläubig.
Sie blickte auf den gefrorenen See.
Dann blickte sie zurück in den Schaft.
Direkt neben den Stempel, der die Schuhgröße angab (sechseinhalb, eins größer als ihre normale Schuhgröße, um perfekt zu passen), hatte jemand 'Buffy Summers' geschrieben. Nur daß es nicht irgendjemand gewesen war. Das war ihre eigene Handschrift.
Dies waren keine Schlittschuhe, die ihren eigenen sehr ähnlich waren, dies waren ihre.
Buffy sah sich mißtrauisch um, aber alles war ruhig. Wie konnte es jemand geschafft haben, ihre Schlittschuhe aus ihrem Schrank zu nehmen? Das war zumindest der Ort, an dem sie sie zuletzt gesehen hatte. Sie hatte sie gekauft, als sie vor Weihnachten zum Einkaufen in die City gefahren war - in der Hoffnung, daß sich die Gelegenheit ergeben würde, sie zu benutzen. Und Buffy war sich ziemlich sicher, daß Willow - die sie im Verdacht hatte, für diesen wundervollen Morgen verantwortlich zu sein - sie nicht aus ihrem Zimmer genommen haben konnte, zumindest nicht ohne die Hilfe ihrer Mutter. Und konnte Joyce ihr wirklich geholfen haben?
Sie würde dieses Rätsel nicht durch Herumstehen lösen; daher setzte sie sich hin, zog ihre Schuhe aus und die Schlittschuhe an.
Dann stakte sie zum Ufer und inspizierte das Eis. Es war unmöglich, daß sich eine so dicke Eisdecke über Nacht gebildet hatte... Es war ja normalerweise nicht einmal kalt genug für Schnee in Kalifornien, richtig? Trotzdem war Sunnydale mit einer weißen Schicht bedeckt gewesen, als sie heute morgen die Augen geöffnet hatte. 'Magie', dachte sie.
Vorsichtig trat sie auf die rutschige, gefrorene Oberfläche und testete sie. Das Eis mußte mindestens zehn Inches dick sein - mehr als genug, um ihr Gewicht zu tragen.
Sie machte einige gleitende Schritte und war überrascht, wie leicht es ging. Sie hatte das eine Weile nicht mehr gemacht, aber sie gewöhnte sich schnell wieder an das wohlbekannte Gefühl, auf dem Eis zu sein.
Sie glitt elegant über das Eis, schneller und schneller, und ging dann in eine Pirouette über. Sie streckte ihre Arme aus und hob sie dann langsam, bis sie sich über ihrem Kopf trafen, und beschleunigte auf diese Weise ihre Drehung. Als sie aufgrund der Reibung wieder nachließ, wechselte sie zurück in den Gleitmodus.
Man sagt, Eislaufen ist wie Schwimmen: Wenn man es einmal beherrscht, dann kann man es sein Leben lang.
Sie hatte allerdings niemals den doppelten Lutz gemeistert. Das war der schwierigste Sprung, den sie versucht hatte, als sie noch regelmäßig zusammen mit ihrem Vater eislaufen gegangen war. Damals war sie neun oder zehn Jahre alt gewesen und ihre Eltern waren noch verheiratet. Er hatte eine Menge mehr Freizeit gehabt und sie waren fast jedes Wochenende zu einer Eishalle in L.A. gefahren.
Er hatte immer gesagt, wie stolz er war, wenn sie eine neue Figur gelernt hatte und daß sie offensichtlich ein Naturtalent war, soweit es Eiskunstlauf betraf.
Aber dann war er mehr und mehr durch seinen Job beansprucht worden und sie konnten nicht mehr zur Eishalle fahren. Schließlich hatten sie sich mit einem Besuch der Eisshow einmal im Jahr als ihrem Geburtstagsgeschenk begnügt.
Der Wind trug etwas zu ihr hinüber.
"...fffy!"
Sie sah auf und entdeckte jemanden am anderen Ende des gefrorenen Sees, in der Nähe der Stelle, an der sie zuerst gestanden hatte, um den See abzusuchen. Sie bemerkte erst jetzt, wie weit sie auf dem Eis gelaufen war.
Die andere Person winkte zu ihr herüber.
"Willow?" fragte sie, mehr zu sich selbst, und winkte zurück.
Sofort beschleunigte sie, auf die Person in der Distanz zu. Ihr Herz machte einen Sprung, als ihre Augen bestätigten, was sie so sehr hoffte. Es war Willow.
Sie beschleunigte noch mehr. Dann hob sie ab, sprang einen perfekten doppelten Lutz, landete, und stoppte direkt vor dem anderen Mädchen.
Willow sah absolut hinreißend aus, denn ihr flammendrotes Haar schaute unter einer Pudelmütze hervor. (Sie wunderte sich, wo sie dieses Textil herhatte, denn es war schließlich niemals wirklich kalt im sonnigen Sunnydale; ihr Hauptgedanke war aber, wie süß Willow aussah.)
Sie hatte rote Bäckchen aufgrund der Kälte.
"O Buffy, das war wundervoll!" strahlte der Rotschopf. Buffy erwiderte das Lächeln. "Ich hatte ja keine Ahnung, daß du so gut bist."
"Hi, Will", antwortete Buffy, und zog die Hexe schnell in eine Umarmung.
"Warum - Ich meine, hi."
"Ich bin früher immer mit meinem Vater Eislaufen gegangen", erklärte Buffy. "Und die Umarmung ist dafür, daß du hier bist. Ich habe nach dir gesucht, weißt du." erzählte sie.
"Aha... Ich habe auch nach dir gesucht", sagte Willow, "Und ich bin so froh, daß ich dich gefunden habe. Ich habe dich... jemanden... in der Entfernung gesehen und so gehofft... daß du es wärst... also habe ich mir ein Herz gefaßt und begonnen, auf dich zuzulaufen und... jetzt bin ich hier und ich bin überhaupt nicht sicher, ob ich's auch zurück schaffe..." schloß sie stammelnd.
"Hat dir schon mal jemand gesagt, daß du süß bist wenn du das machst?" fragte Buffy.
"Wenn ich was mache?" erwiderte Willow und wurde rot, denn sie wußte die Antwort.
"Dieses Stammeln..."
"Ähm, nein."
Eine kurze Pause entstand, während keine der beiden wußte, was sie sagen sollte.
"Hätte ich ja beinahe vergessen... Herzlichen Glückwunsch zum Geburtstag, Buffy." fuhr Willow schließlich fort, und brach damit das unbehagliche Schweigen.
"Danke, Will." Buffy dankte ihr mit einem weiteren Lächeln.
"Und... äh... kannst du das nochmal machen?" fragte Willow.
"Den doppelten Lutz? Ich weiß nicht, ich hab ihn nie nicht richtig geschafft, bis heute. Ich meine, der Sprung ist einfach... wenn du mit Eislaufen vertraut bist, heißt das, aber die Landung... das ist der schwierige Teil", erklärte Buffy.
"Du mußt nicht..." antwortete die Hackerin, aber Buffy unterbrach sie, indem sie sich entfernte. Sie holte Schwung, indem sie in einem großen Halbkreis von Willow wegglitt; dann sprang sie und landete perfekt auf den Innenseiten der Kufen.
"Du springst wie eine Eisprinzessin", sagte Willow, als ihre Freundin wieder heranglitt.
"Und, bist du bereit?" fragte die Jägerin, während sie neben Willow wieder zum Stehen kam.
"Bereit für was?"
"Für deine erste Eislauf-Unterrichtsstunde mit deiner persönlichen Trainerin, Buffy Summers, der Eisprinzessin?" antwortete die Blondine, und hörte sich dabei an wie ein Text in der Werbebroschüre einer Eishalle.
"O nein!"
"Na los, versuch's."
"Ich kann nicht."
"Hey, du hast es doch auch hierher geschafft..." führte Buffy aus, während sie einige Yards wegglitt.
"Laß mich nicht alleine, Buffy!" rief Willow panisch.
"Schsch... Angsthase. Gleite einfach langsam auf mich zu."
"O-okay", war die Antwort des Rotschopfs. Sie hörte sich allerdings nicht sehr überzeugt an.
"Ich fange dich auf, wenn du fällst", versicherte Buffy.
Willow glitt langsam vorwärts, sorgfältig ihre Balance mit den Armen haltend.
'Es muß sie eine Menge Mut gekostet haben, mir entgegenzulaufen, wenn sie so unsicher auf dem Eis ist', dachte Buffy während sie die langsamen Bewegungen der Rothaarigen beobachtete.
Willow näherte sich und stoppte ihre Vorwärtsbewegung, indem sie sich in Buffys Arme warf. Buffy gluckste. "Das ist der Grund, warum ich es liebe, Unterricht im Eislaufen zu geben, weißt du!"
Willow bedankte sich mit einem süßen Lächeln.
Sie machten die gleiche Übung noch einige Male - Buffy glitt voraus und drehte sich dann um, um auf Willow zu warten. Die Hackerin machte wirklich Fortschritte.
Als sie jedoch gerade etwas Fortgeschritteneres versuchen wollte, indem sie Buffy schon folgte, während die sich noch von ihr entfernte, beugte sie sich etwas zu sehr vornüber, als sie versuchte, Schwung zu holen.
"Buffffyyyy!" brachte sie gerade noch heraus.
Die blonde Jägerin drehte sich gerade rechtzeitig herum, um zu sehen, wie Willow die Balance verlor. Sie mobilisierte ihre ganze Beweglichkeit, stürmte zurück zu der Hexe und fing sie auf, indem sie sie bei den Hüften packte.
"Bist du in Ordnung?" fragte sie.
Willow nickte. "Danke", murmelte sie, immer noch ein wenig schockiert wegen ihres Fallens und der schnellen Reaktion ihrer Freundin.
"Ich habe dir doch versprochen, dich aufzufangen!"
Willow lächelte. Sie standen mit den Gesichtern zueinander. Sehr nah beieinander. Und Buffy umfaßte immer noch ihre Hüfte. Da, wo Buffy sie berührte, schienen kleine Stromstöße ausgesandt zu werden, die durch ihren gesamten Körper strömten, obwohl sie einen dicken Pullover anhatte. Die Nähe war wundervoll. Sie blickte auf die wundervollen Lippen ihrer Freundin. Wie würde es sein, Buffy zu küssen? fragte sie sich. Sie blickten einander in die Augen.
Willow verlor sich in den grünen Augen vor ihr und fühlte, daß sich ihr Atem beschleunigte. Sie hatte so lange auf diesen Moment gewartet.
Keine Worte waren zwischen ihnen nötig, und Buffy schien ihre Gedanken gelesen zu haben, denn ihre Lippen berührten sanft die ihren.
Sie hatte diese Lippen in ihrer Fantasie schon tausendmal geküßt, und trotzdem hatte keiner dieser Tagträume sie auf die Wirklichkeit vorbereiten können.
"Ich denke, ich werde öfters fallen. Es ist wundervoll, wenn du mich auffängst."
"Und ich werde jedes Mal sichergehen müssen, daß du in Ordnung bist, wie gerade eben."
"Ich bin nicht sicher, ob alles in Ordnung ist..." antwortete Willow neckend.
"O, dann sollte ich besser noch mal genau nachsehen."
Und Buffy lehnte sich vor und küßte Willow noch einmal. Dieses Mal vertiefte sie den Kuß, ließ sich hineinfallen...
Es gab keine Grund, jetzt zu reden. Später würden sie noch genug Zeit dafür haben, über die zarte, schnell-wachsende Pflanze zu reden, die ihre Liebe war - eine Pflanze, deren Samen an einem Springbrunnen vor beinahe drei Jahren gepflanzt worden war.
Buffy und Willow glitten schweigend und glücklich zum Ufer zurück, und Buffy bemerkte, daß ihre Freundin wirklich große Fortschritte machte. Sie schien es sogar ein wenig zu mögen, so daß sie vielleicht einmal zusammen zu einer Eisbahn gehen könnten.
Als sie das Ufer erreichten, holte jede schnell ihre normalen Schuhe; dann trafen sie sich wieder, um gemeinsam zurück in die Stadt zu gehen.
Eine Frage war allerdings noch offen und Buffy war sehr neugierig auf die Antwort.
"Warum bist du eigentlich hergekommen?" fragte sie, während sie Hand in Hand dahingingen.
"Mom hatte in den Nachrichten gehört, daß heute keine Schule ist. Also hat sie mich schlafenlassen. Ich hab' mal wieder bis spät in die Nacht gelesen und als ich schließlich aufwachte, war es beinahe Mittag. Ich habe dann diese Nachricht gefunden, daß ich so schnell wie möglich hierher kommen sollte und, nun, hier bin ich", erzählte Willow.
"Du hast nicht... aber ich dachte..."
"Hey, Bodenkontrolle an Buffy. Zusammenhanglose Gedanken!" sagte Willow.
Buffy hielt inne und blickte in die grünen Augen ihrer Freundin. Sie sah die Wahrheit der Worte, die sie gesprochen hatte, darin. Offensichtlich war Willow nicht für all dies verantwortlich. Aber wer war in der Lage... und wer wußte um ihre Gefühle... Die einzige Antwort, die ihr einfiel - unter Berücksichtigung der seltsamen Umstände, wie dem Wetterwechsel und dem perfekten Timing - war eine übernatürliche. Sie hoffte nur, daß keine dunkle Macht dahinter steckte. Aber warum sollte jemand aus dem Abgrund des Höllenschlunds dafür sorgen, daß sie und Willow zusammenkamen? Andererseits, wer hatte die Macht, so etwas zu tun? Sie konnte einfach keine befriedigende Antwort finden und das nervte sie.
"Alles okay?" fragte Willow, die über die finstere Miene ihrer Freundin besorgt war.
"Ja. Wenn ich Faith wäre, dann würde ich wohl 'Könnte nicht besser sein' sagen." antwortete Buffy und ging weiter. Sie verjagte die sorgenvollen Gedanken, die ihr durch den Kopf gingen und ersetzte sie mit ihren Gefühlen für Willow. Was sie jetzt brauchten war eine Gelegenheit, alles ins Reine zu bringen und die beste Lösung dafür war... wenn Willow heute nacht bei ihr übernachten würde.
Sie lächelte bei dem Gedanken und das beruhigte Willow. Sie holte zur Jägerin auf und nahm erneut ihre Hand.
Schließlich erreichten sie die Kreuzung, an der sie sich trennen mußten. Buffy nahm beide Hände ihrer Freundin in die ihren und sah sie an. Sie standen für einen Moment einfach so da.
"Treffen wir uns um Sieben bei mir und du übernachtest bei uns?" fragte Buffy schließlich.
"Gerne." flüsterte Willow mit einem Glitzern in den Augen.
Mit einem schnellen Kuß auf die Stirn ließ Buffy sie los und ging glücklich nach Hause.
Sie hatten mit einem Leihvideo angefangen. Mittendrin hatte Willow ihren Kopf in Buffys Schoß gelegt, was einen komischen Blick von Joyce auslöste, die hereinkam, um sicherzustellen, daß sie mit allem versorgt waren. Willow war rot geworden. Joyce wußte nichts über sie - oder? Buffy hatte ihre Mutter angelächelt und Joyce hatte es einfach erwidert und war dann zurück in die Küche geeilt, um ihre Vorbereitungen fürs Abendessen fortzusetzen.
Nach dem Essen hatten sie sich in Buffys Zimmer zurückgezogen. Sie hatten schließlich eine Menge zu bereden. Die einigten sich darauf, langsam vorzugehen, einen Schritt nach dem anderen. Es gab keinen Grund, die Dinge zu überstürzen, es sei denn der Höllenschlund entschied, daß die Welt mal wieder enden würde. Ihre Freunde würden es erfahren müssen und natürlich auch Joyce, aber nicht sofort. Sie würden in den neuen Schritt ihrer Beziehung erst hineinwachsen und sich dann outen. Aber sie würden es zusammen tun, es gemeinsam durchstehen.
Sie hatten auch über den geheimnisvollen Jemand geredet, der für all dies verantwortlich war. Buffy hatte der Hackerin ihre Sicht der Dinge erzählt. Willow hatte erstaunt zugehört, denn diese Seite war komplett neu für sie.
Wer auch immer es war, entweder würde er sich zeigen, oder eben nicht, hatte Willow argumentiert. Sie sollten es als ein wundervolles Geschenk einer unbekannten guten Macht nehmen, und es darauf beruhen lassen. Buffy stimmte ihr zu.
Um ein Uhr waren sie zu müde geworden, um noch weiter zu reden.
Ohne zu zögern legte sich Willow neben die Jägerin auf deren breites Bett. Buffy grinste und legte ihren Arm um sie. "Mein", sagte sie und platzierte einen sanften Kiss auf ihrer Wange. Willow zog einen Schmollmund, aber ihre Augen lächelten.
"Gute Nacht", sagte Buffy.
"Gute Nacht, Buffy", antwortete sie während sie herzhaft gähnte. Dann schloß sie ihre Augen, wohl wissend, daß sie wundervoll neben der Jägerin schlafen würde, die über sie wachen würde. 'Bin liebevoll beschützt durch deine Küsse...' war ihr letzter Gedanke bevor sie einschlief.
Buffy lag noch einen Moment wach. Sie konnte kaum glauben, wie glücklich sie jetzt war, besonders im Vergleich zu gestern. 'Es ist wahr', dachte sie. 'Ein Tag kann dein Leben verändern.'
Ihr Blick fiel auf Mr. Gordo. Sie nahm das Schwein von dem schmalen Regal neben ihrem Bett und zögerte einen Moment. 'Warum nicht', dachte sie. Sie konnte genau so gut ihm für die wunderbare Wendung danken, die ihr Leben in den letzten 24 Stunden genommen hatte. Sie umarmte ihn fest. "Danke", murmelte sie.
Buffy platzierte das Schwein dann sorgfältig neben dem Stoffschaf, das Willow mitgebracht hatte. Dann kuschelte sie sich an den bereits tief und fest schlafenden Rotschopf neben ihr.
"Herzlichen Glückwunsch zum Geburtstag, mein Mädchen... Hoffe, dir gefällt mein Geschenk. Und nun schlaf' gut. Wir werden über euch wachen", antwortete Mr. Gordo, aber Buffy hörte ihn nicht. Selbst mit ihren geschärften Jäger-Sinnen wäre das einzige, das sie hätte hören können, beinahe ein Flüstern gewesen.